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Theater in der Weimarer Republik


Während der zwanziger Jahre herrscht Aufbruchstimmung in der Kultur: Expressionismus, Dadaismus, abstrakte Malerei, atonale Musik, Bauhaus. Ein neuer Realismus, der sich nicht scheut, das hässliche Gesicht der Welt aufzugreifen und sich mit den dunklen Seiten unserer Existenz zu beschäftigen, hält in der Kunst Einzug. Literatur, Malerei, Musik, Architektur, Film stehen in nie geahnter Blüte.

Und das Theater? Noch zwanzig Jahre zuvor erschöpfte sich die Regie darin, Auftritte, Abgänge und Stellungen zu arrangieren. Ein Fachschauspieler hätte es für unter seiner Würde gehalten, sich von einem Regisseur etwas sagen zu lassen, was darüber hinausging und in seine eigene Auffassung der Rolle hinübergriff. Schauspieler wurden nach Rollenfächern besetzt: der jugendliche Held, die Naive, der Bonvivant, die komische Alte. Stückproben bedeutete lediglich: so lange probieren, bis der Text sitzt. Die Souffleuse war wichtiger als der Regisseur, bei dem es sich ohnehin oft lediglich um den dienstältesten Schauspieler handelte.

Regisseure wie Max Reinhardt und Leopold Jessner verändern das Gesicht des Theaters, vor allem aber Autoren wie Henrik Ibsen, dessen Dramen vielschichtige Persönlichkeiten zeigen, Figuren mit Individualität. Es genügt nun nicht mehr, eine Rolle auswendig zu können und der Bühnenkonvention zu entsprechen, jetzt kommt es auf jedes Wort, auf jede Geste an. Der Zuschauer muss die inneren Bewegungen an den äußeren Vorgängen ablesen können.

Es ist die Zeit von Konstantin Stanislawski vom Moskauer Künstlertheater, der so revolutionäre Gedanken einführt wie den, dass der Schauspieler nicht ans Ergebnis, an die Wirkung oder die Zuschauer denken, sondern die Figur leben und seine Aufmerksamkeit auf den Partner richten soll. Dass er nicht fühlen, sondern handeln und dabei an die Echtheit dessen glauben soll, was er tut. Realismus statt Naturalismus oder gar das bloße Aneinanderreihen von Äußerlichkeiten ist angesagt. Das Regietheater beginnt seinen Siegeszug. „Der Schauspieler kann sich selbst nicht hören und sehen, und da er selbst der wesentliche Teil seines Werkes ist, kann er nicht wie ein Maler davor zurücktreten“, sagt Max Reinhardt. Neben ihm und Jessner sind weitere bekannte Regisseure: Victor Barnowsky, Erich Engel, Jürgen Fehling, Heinz Hilpert, Erwin Piscator.

Es gibt bereits den Begriff „Star“ und das dazugehörende Verhalten, befördert durch den aufkommenden Film, der dem Theater zu schaffen macht. Nicht nur aus finanziellen Gründen, weil der Film Konkurrenz bedeutet, sondern auch, weil die Stars häufig wegen Dreharbeiten auf den Proben fehlen oder hinterher übermüdet sind. Durch das Starsystem wachsen auch die Unterschiede im Ensemble; die Schere zwischen prominenten Schauspielern und denjenigen, die in den Augen der Theaterleitung nur „Masse“ sind, geht immer weiter auseinander.

Eine Zensur existiert durchaus. Es gibt Verbote von  „gotteslästerlichen“ oder „unzüchtigen“ Schriften, es gibt Versuche, ein Gesetz „zur Bewahrung der Jugend vor Schmutz und Schund“ zu erlassen, manche Autoren werden sogar wegen „literarischem Hochverrat“ angeklagt.

Arthur Schnitzlers Reigen wird zeitweilig verboten, Zuckmayers fröhlicher Weinberg, Stücke von Ernst Toller und Frank Wedekind sowieso, auch der Film Panzerkreuzer Potemkin. Es gibt organisierte Störungen und provozierte Skandale im Theater, die der Polizei einen Anlass für Verbote aufgrund einer „Gefährdung der öffentlichen Ordnung“ liefern. Nicht zu vergessen ist auch der Prozess gegen den Maler George Grosz, der vom Berliner Landgericht wegen seines satirischen Mappenwerks Ecce Homo zu einer Strafe von sechstausend Mark verurteilt wird, weil er „die öffentliche Moral verletzt und die inneren Werte des deutschen Volkes in den Schmutz gezogen“ habe. Doch trotz all dieser Vorkommnisse sind die Künste niemals zuvor so frei gewesen wie jetzt.

Das Inspizientenpult im Deutschen Theater in den zwanziger Jahren

Quellen:

  • Eduard von Winterstein: Mein Leben und meine Zeit (Band 2)

  • Matthias Heilmann: Leopold Jessner - Intendant der Republik

  • diverse Bücher über Max Reinhardt

  • Vasilij Toporkov: Stanislavskij bei der Probe

Lesetipp: Der Kriminalroman „Tückisches Spiel“ spielt im Theatermilieu der Weimarer Republik, der Autor hat selbst vierzehn Jahre am Theater gearbeitet.