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So kam Hitler an die Macht


30. März 1930: Heinrich Brüning wird Reichskanzler, ohne Koalitionen eingehen zu müssen, gestützt einzig auf Vollmachten des Reichspräsidenten Hindenburg. Die Ernennung verdankt er nicht zuletzt dem Einfluss des Reichswehrministers Kurt von Schleicher. Um sich der Reparationsverpflichtungen aus dem verlorenen 1. Weltkrieg zu entledigen und den Alliierten ein verarmtes Deutschland zu präsentieren, betreibt Brüning eine rigorose Deflationspolitik und nimmt dabei die Verelendung und Radikalisierung des Volkes in Kauf. Außerdem erhält die bis dato unbedeutende NSDAP großen Zulauf und wird zweitstärkste Fraktion im Reichstag. Die SPD, die ein Drittel der Reichstagsmandate hält, toleriert Brünings Politik aus Furcht vor einer weiteren Stärkung der Rechts- und Linksradikalen nach einem etwaigen Sturz der Regierung.

1. Juni 1932: Nachdem Hindenburg Brüning das Vertrauen entzieht, wird Franz von Papen Reichskanzler. An beiden Vorgängen ist wiederum Schleicher maßgeblich beteiligt. Auch Papen regiert einzig aufgrund des Vertrauens des Reichspräsidenten, besitzt allerdings noch weniger Rückhalt im Volk und im Parlament als Brüning und verschlimmert die soziale Situation der Bevölkerung.

20. Juli 1932: Mit Rückendeckung durch Hindenburg stürzt Papen die Preußische Landesregierung, die bislang ein stabiles Bollwerk gegen Extremismus und daher den rechtsradikalen Kräften im Land ein Dorn im Auge war.

31. Juli 1932: Bei den Reichstagswahlen wird die NSDAP mit 37,3 Prozent der abgegebenen Stimmen zur stärksten Partei.

6. November 1932: Die erneute Reichstagswahl kostet die NDSAP zwei Millionen Stimmen (4,2 Prozent). Der scheinbar unaufhaltsame Aufstieg der Partei hat sein Ende erreicht: Mehr als ein Drittel aller Stimmen ist für die Nationalsozialisten nicht zu holen.

19. November 1932: Führende Wirtschaftsvertreter fordern von Hindenburg, Hitler als Führer der immer noch stärksten Partei zum Kanzler zu machen.

2. Dezember 1932: Nachdem Hindenburg Papen bedauernd fallen ließ, ein Vorgang, an dem auch diesmal wieder Schleicher maßgeblichen Anteil hat, wird Kurt von Schleicher selbst Reichskanzler. Er bemüht sich um sozialen Ausgleich, scheitert jedoch. Zugleich versucht er wie schon seine Vorgänger, Hitler in die Regierung einzubinden in der Hoffnung, die Partei dadurch zu mäßigen und die SA für die Reichswehr nutzbar zu machen. Die Verhandlungen scheitern jedoch an Hitlers totalem Machtanspruch.

8. Dezember 1932: Innerhalb der NSDAP kriselt es. Wähler und Parteimitglieder sind enttäuscht, dass die Partei nach all den Jahren des Kampfes gegen die Republik immer noch nicht an der Macht ist, und verübeln es Hitler, an seinem Alles-oder-nichts-Kurs festzuhalten, statt auf die vielfältigen Angebote einer Koalitionsregierung einzugehen. Insbesondere Gregor Straßer, einer der wichtigsten Männer der NSDAP, kritisiert Hitlers Kurs. Schleicher hat ihm bereits einen Posten in der Regierung angeboten, aber Straßer will der Partei, die er wesentlich mit aufgebaut hat, keine Zerreißprobe zumuten und legt seine Parteiämter nieder. Hitler bleibt unangefochtener Anführer.

Regierung Hitler

Regierung Hitler

4. Januar 1933: Hitler und Papen treffen sich heimlich im Haus eines Kölner Bankiers. Papen, der immer noch das Vertrauen Hindenburgs genießt, sieht eine Chance, mit Hitlers Unterstützung wieder Kanzler zu werden und sich zugleich an Schleicher zu rächen, der für seinen Sturz verantwortlich ist. Hitler wiederum erhofft sich von Papens gutem Verhältnis zu Hindenburg, sein Ziel doch noch zu erreichen. Obwohl das Treffen bekannt wird, unternimmt Schleicher wenig, um der Intrige Einhalt zu gebieten, weil er Papen unterschätzt.

19. Januar 1933: Der Osthilfeskandal, der den massenhaften Missbrauch staatlicher Hilfe durch ostelbische Junker öffentlich macht und in den auch Hindenburg und einige seiner Freunde verwickelt sind, setzt die Betroffenen und damit auch Hindenburg unter Zugzwang: Um eine weitere Untersuchung zu unterbinden, ist es nötig, Schleicher loszuwerden. Die Agitation gegen den Kanzler verstärkt sich.

22. Januar 1933: Erneutes Geheimtreffen zwischen Hitler und Papen, diesmal im Haus des Industriellen Joachim von Ribbentrop in Berlin. Dort gelingt es Hitler, Hindenburgs Sohn Oskar und Staatssekretär Meißner, dem Hindenburg vertraut, seine Kanzlerschaft schmackhaft zu machen.

28. Januar 1933: Schleicher tritt zurück, da Hindenburg ihm präsidiale Vollmachten verweigert.

29. Januar 1933: Da Hitler nicht von seiner Maximalforderung abgeht, gibt Papen nach und einigt sich mit ihm darauf, dass Hitler Kanzler wird und er selbst Vizekanzler. Papen bearbeitet Alfred Hugenberg, den Führer der Deutschnationalen, der Hitler nicht traut, einer Koalition zuzustimmen, und gewinnt ihn damit, dass er ihm seinen sehnlichsten Wunsch erfüllt, nämlich die Wirtschaftspolitik bestimmen zu können, indem er sowohl den Posten des Wirtschafts- als auch des Landwirtschaftsministers erhalten soll.

Da Hindenburg die Optionen ausgehen und eine von ihm favorisierte Regierung Papen/Hugenberg möglicherweise zum Bürgerkrieg führen würde, da ihm außerdem alle zureden, Hitler zum Kanzler zu machen, selbst sein Günstling Papen, und da er vor allem den – falschen – Eindruck gewinnt, Hitler strebe nicht länger die Alleinherrschaft an, sondern bemühe sich um eine Allianz aller vaterländischen Parteien, ein Eindruck, in den ihn Papen bestärkt, der so tut, als wären Verhandlungen mit der Zentrumspartei im Gange, aus allen diesen Gründen stimmt Hindenburg schließlich zu, Hitler zum Kanzler zu machen. Ein – ebenfalls falsches – Gerücht, Schleicher wolle putschen, sorgt für unnötige Hast.

30. Januar 1933: Hitler und sein Kabinett werden vereidigt. Diejenigen, die ihm in den Sattel geholfen haben, reden sich ein, sie hätten ihn unter Kontrolle, schließlich besitzt Papen das Ohr der Reichspräsidenten, und die Nationalsozialisten haben bloß zwei weitere Ministerposten verlangt. Diese bedeuten allerdings die Herrschaft über das Innenministerium und die preußische Polizei, und damit haben die Nationalsozialisten eine Schlüsselstellung inne.

Fazit: Hitler ist weder demokratisch gewählt worden, noch hat er die Herrschaft gewaltsam an sich gerissen, wie der Begriff „Machtergreifung“ nahelegt. Sie wurde ihm auf dem Silbertablett überreicht zu einem Zeitpunkt, als die Nationalsozialsten ihren Zenit bereits überschritten hatten und es nur noch abwärts gehen konnte, zu einem Zeitpunkt, als die Gefahr schon fast vorüber war. Adolf Hitler gelangte an die Macht aufgrund der Fehleinschätzung, Machtgier und Rachsucht einiger weniger maßgeblichen Personen in der Politik.

 

Quellen:

  • Karl Dietrich Bracher. Die Auflösung der Weimarer Republik (Athenäum / Droste, Königstein und Düsseldorf 1978)
  • Martin Broszat: Die Machtergreifung. Der Aufstieg der NSDAP und die Zerstörung der Weimarer Republik (dtv, München 1990)
  • Diethart Kerbs & Henrick Stahr (Hg.): Berlin 1932. Das letzte Jahr der Weimarer Republik (Edition Hentrich, Berlin 1992)
  • Hans Otto Meissner: 30. Januar 1933. Hitlers Machtergreifung (Heyne, München 1979)
  • Wolfram Pyta: Hindenburg. Herrschaft zwischen Hohenzollern und Hitler (Pantheon / Siedler, München 2009)
  • Henry A. Turner: Hitlers Weg zur Macht. Der Januar 1933 (Luchterhand, München 1996)

 

All diese Vorgänge sind Thema des Romans „Machtübernahme“.